Digitale Patientenbefragung bei Multipler Sklerose
Pilotierung in der MS-Ambulanz der Universitätsmedizin Greifswald
Vor einigen Monaten wandte sich die Universitätsmedizin Greifswald an das ZTM, mit dem Anliegen, den Patienten der MS-Ambulanz einen digitalen Service anbieten zu wollen. Dr. med. Matthias Grothe, Oberarzt und Leiter der MS-Ambulanz, möchte zukünftig für zwei verschiedene Anwendungsfälle einen digitalen Fragebogen im Rahmen seiner Patientenversorgung zum Einsatz bringen. Das ZTM unterstützt Herr Dr. Grothe bei diesem Vorhaben in der Konzeption und Einführung der digitalen Befragung in den ärztlichen Behandlungsalltag. Um die Fragebögen den Patienten bereitzustellen, setzt das ZTM die Software myMedax ein.
Hintergrund, Motivation und Ziel
Das Krankheitsbild Multiple Sklerose (MS) ist durch Schübe - das Auftreten neuer oder das Wiederkehren bereits bekannter klinischer Symptome - geprägt. Um den Krankheitsverlauf einzelner Patienten besser verstehen zu können, setzt Dr. Grothe einen papierbasierten Fatigue Fragebogen© (Vorlage nach Penner et al., 2005) zur Verlaufskontrolle ein. Dieser Einsatz ist jedoch mit einem enormen manuellen Arbeitsaufwand für alle Beteiligten verbunden. Die Fragebögen werden händisch vom Patienten ausgefüllt, von den Mitarbeitern ausgewertet und archiviert, wodurch wertvolle Zeit verloren geht. Herr Dr. Grothe möchte dies gerne ändern, in seiner Versorgung digitaler und gegenüber seinen Patienten modernen werden, weshalb er das Projekt und die Zusammenarbeit mit dem ZTM ins Leben gerufen hat. So soll zukünftig das Team der MS-Ambulanz in der Lage sein, ihre Patienten monatlich in der eigenen Häuslichkeit zur MS-Verlaufskontrolle (Anwendungsfall 1) digital zu befragen und vor Ort bei der Aufnahme zur Sprechstunde (Anwendungsfall 2) von Patienten Gesundheitsdaten zur Eigenanamnese digitalen erfassen. Herr Dr. Grothe erhofft sich neben dem positiven Einfluss auf die Arbeitsprozesse und der Außenwirkungen vor allem aber eine größere Informationsqualität zum Gesundheitszustand seiner Patienten und der damit verbunden Möglichkeit, die Therapiemaßnahmen noch besser einstellen zu können.
Geplantes Vorgehen im Projekt
Für das Projektvorhaben wurde gemeinsam ein standardgemäßer Projektplan mit verschiedenen Arbeitspaketen formuliert. Zentrale Inhalte der Arbeitspakete stellen unteranderem die Definition der Prozessintegration, die Installation und Konfiguration des Systems sowie die Schulung des Personals und die Inbetriebnahme vor Ort dar. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist vor allem der enge Austausch mit den Anwendern (Ärzten, Pflege- und Aufnahmekräften, IT) und die Einhaltung des Datenschutzes notwendig. Die Erfahrungen des ZTMs zeigen, dass neben den technischen Angelegenheiten insbesondere die Klärung von Zuständigkeiten, die Anpassung bestehender Prozesse und die Schulung des Personals bei der Einführung neuer digitaler Services von hoher Relevanz sind. In Greifswald ist der Einsatz der digitalen Befragung in zwei verschieden Anwendungsfällen geplant.
Im ersten Anwendungsfall "MS-Verlaufskontrolle" sollen zukünftig die MS-Patientinnen und Patienten der MS-Ambulanz einmal im Monat den digitalen Fatigue-Fragebogen© von zu Hause über das Internet ausfüllen. Hierzu wird eine Mitarbeiterin der MS-Ambulanz regelmäßig den Patienten einen Weblink zusenden, über den der Fatigue-Fragebogen© abgerufen und ausgefüllt werden kann. Diese Mitarbeiterin prüft den Rücklauf der Fragebögen, erinnert Patienten an noch ausstehende Fragebögen und fasst die Ergebnisse für den behandelnden Arzt zusammen. Besonderheit der MS-Verlaufskontrolle ist das im Fragebogen integrierte Scoring-Modell. Dieses berechnet bei jedem beantworteten Fragebogen automatisch den jeweiligen Score. Hierdurch kann der Verlauf der MS-Erkrankung über mehrere Monate durch den Arzt effizient überblickt und eingeschätzt werden.
Für den zweiten Anwendungsfall "Digitale Eigenanamnese" soll das Fragebogensystem beim Regelbesuch bzw. bei der Aufnahme in die MS-Ambulanz von neuen Patientinnen und Patienten zum Einsatz kommen. Hierbei werden unterschiedlichste Gesundheitsdaten per Tablet abgefragt, welche in das nachfolgende Arztgespräch und die vor Ort Untersuchungen einbezogen werden sollen. Diesen Fragebogen gilt es gemeinsam mit dem Team von Dr. Grothe im Rahmen des Projektes auszuarbeiten, um die spezifischen Gegebenheiten der Erkrankungen abzufragen. Für die Digitale Eigenanamnese werden Tablets zum Einsatz kommen, die vom ZTM organisiert und für den Anwendungsfall spezifisch konfiguriert werden. Voraussetzung für eine reibungslose Nutzung im Ambulanzalltag ist die Verbindung zum Internet über das lokale W-LAN sowie die Absicherung des Tablets zur Fehlbenutzung. Die Verwendung eines sogenannten Kiosk-Modus erlaubt den Benutzern nur einen eingeschränkten Zugriff auf ausgewählte Apps und Funktionen auf dem Tablet.
Eine besondere Anforderung im Projekt stellt das Hosting der Fragebogensoftware durch das ZTM und nicht durch die lokale IT dar. So wird diese nicht in die IT-Struktur der Universitätsmedizin Greifwald integriert sein. Entsprechend werden die Daten auf dem ZTM Server für einen definierten Zeitraum in pseudonymisierter Form gespeichert und können nur vom Team der MS-Ambulanz entschlüsselt werden. Dabei ist die Nutzung dieses digitalen Angebotes für Patienten generell freiwillig. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist eine explizite Einwilligung durch die Mitarbeiter einzuholen. Neben diesen technisch-organisatorischen Anforderungen sind auch logistische Aspekte zu berücksichtigen, wie z.B. das Laden, Aufbewahren und Desinfizieren der Tablets als auch der Schutz vor physischen Schäden.
Sobald alle konzeptionellen, technischen und organisatorischen Vorarbeiten erfolgreich umgesetzt worden sind, geht es in eine erste Testphase an die Prüfung der Machbarkeit im Versorgungsalltag. Kann diese erfolgreich bestätigt werden, begleitet das ZTM das Team der MS-Ambulanz bei der Überführung in den Regelbetrieb.
Aktueller Stand des Projektes
In den vergangenen Monaten haben wir mit Herrn Dr. Grothe vor allem konzeptionelle und administrative Vorarbeiten umgesetzt. Neben der Ausarbeitung der Kooperation standen u.a. die ersten Abstimmungen mit der lokalen IT, dem Datenschutz sowie ein vor Ort Besuch der MS-Ambulanz der Universitätsmedizin Greifswald an, um die ärztlichen Gegebenheiten sowie das Team von Dr. Grothe kennen zu lernen und gemeinsam erste Umsetzungsmöglichkeiten zu diskutieren. Parallel wurde für den Anwendungsfall der MS-Verlaufskontrolle eine digitale Betaversion des etablierten Fatigue-Fragebogens© erstellt und mit dem Team von Dr. med. Matthias Grothe verfeinert. Die Betaversion ist bereits in der Lage die für den Arzt relevanten Scoringwerte automatisch zu errechnen.
In enger Abstimmung mit Dr. Grothe planen wir die Inbetriebnahme der digitalen Befragung zum Ende des Jahres und die Überführung in die Regelversorgung der MS-Ambulanz im Laufe der ersten Monate im Jahr 2020.